HACCP – Neues vom Codex Alimentarius

Die Überarbeitung der allgemeinen Grundsätze der Lebensmittelhygiene (General Principles of Food Hygiene), die die Basis aller HACCP-Systeme darstellt, wurde Ende 2020 abgeschlossen. Neben vielen altbewährten Dingen enthält die aktuelle Fassung auch einige Neuerungen.

Neu ist zunächst der Aufbau des Dokuments, das sich nach einem Einführungsteil in 2 Kapitel aufgliedert:

+ Im Einführungsteil sind die Ziele, der Scope und die allgemeinen Grundsätze festgeschrieben. Dort ist auch die Etablierung und Aufrechterhaltung der Lebensmittelsicherheitskultur aufgenommen worden. Des Weiteren sind hier die Definitionen zu finden, die sich zur Vorversion von 16 auf 32 erhöht haben und nun auch Begriffe wie acceptable level, allergen cross-contact, Good Hygiene Practices (GHPs) und viele weitere Begriffsdefinitionen umfassen.

Herauszuheben ist die Änderung der Definition für einen Critical Control Point (CCP) die nun lautet: „Ein Schritt, bei dem eine Kontrollmaßnahme oder Kontrollmaßnahmen, die zur Kontrolle einer signifikanten Gefahr wesentlich sind, in einem HACCP-System angewendet werden“. In der Vorversion lautete diese noch „Ein Schritt, bei dem die Kontrolle angewendet werden kann und der wesentlich ist, um ein Risiko für die Lebensmittelsicherheit zu verhindern oder zu beseitigen oder es auf ein akzeptables Maß zu reduzieren“ und ist somit neu formuliert worden. Die grundsätzliche Aussage bzw. die Konsequenz bei der Anwendung ist aber vergleichbar mit der bisherigen Definition.

Auch neu sind die sogenannten GHPs (Gute Hygiene Praktiken). Hierbei handelt es sich um allgemein gültige Voraussetzungen für ein HACCP-System, die als Teil der PRPs (Prerequisite programms) – also den Basis-Hygienemaßnahmen – zu verstehen sind. GHPs sind definiert als „Grundlegende Maßnahmen und Bedingungen, die in jedem Schritt der Lebensmittelkette angewendet werden, um sichere und geeignete Lebensmittel bereitzustellen“. Die GHPs werden ausführlich in Kapitel 1 beschrieben.

+ Das Kapitel 1 formuliert die Details der GHPs und unterteilt sich in neun Punkte. Diese sind bereits aus der vorherigen Version bekannt, sind nun aber unter der Bezeichnung GHPs zusammengefasst worden. Inhaltliche wesentliche Neuerungen gibt es hier weniger, die Punkte fanden sich großteilig in ähnlicher Form bereits in der Vorversion:

  1. Einleitung und Kontrolle von Lebensmittelgefahren -erläutert die Bedeutung der GHPs und benennt Beispiele und deren Nutzen.
  2. Primär Produktion – umfasst die Punkte Umgebungskontrollen/ hygienische Produktion/ Handhabung, Lagerung und Transport; Reinigung; Wartung und Personalhygiene (war in der Vorversion in Kap. 3).
  3. Ausstattung – Design von Anlagen und Ausrüstung – behandelt die Themen Standort, Design und Layout, Anlagen, Ausrüstung usw. (war in der Vorversion in Kap. 4).
  4. Schulung und Kompetenz – hier sind die Themen Bewusstsein und Verantwortung, Schulungsprogramme, Unterweisung und Überwachung sowie Auffrischungsschulungen aufgeführt (war in der Vorversion in Kap. 10).
  5. Wartung, Reinigung, Desinfektion und Schädlingsbekämpfung werden in diesem Punkt betrachtet sowie das Abfallmanagement (war in der Vorversion in Kap. 6).
  6. Personalhygiene – gliedert sich auf in die Punkte Gesundheitszustand, Umgang mit Krankheit und Verletzungen, Persönliche Hygiene, Besucherregelungen usw. (war in der Vorversion in Kap. 7).
  7. Betriebskontrolle – umfasst die Beschreibung der Produkte und Prozesse, Schlüsselaspekte der GHPs (z.B. Zeit und Temperaturkontrollen, spezifische Prozessschritte, mikrobiologische-, physikalische-, chemische Kontaminationen, Allergenmanagement, eingehende Materialien, Verpackungen, Wasser, Dokumentation und Aufzeichnungen sowie Rückrufverfahren (war in der Vorversion in Kap. 5.2)
  8. Produktinformationen und Verbraucherinformation – beinhaltet die Punkte Chargenidentifikation und Rückverfolgbarkeit, Produktinformationen, Produktkennzeichnung, Verbraucheraufklärung (war in der Vorversion in Kap. 9).
  9. Transport – umfasst Anforderungen für den angemessener Schutz der Lebensmittel, Anforderungen an die Transportmittel sowie deren Nutzung und Wartung (war in der Vorversion in Kap. 8)

+ Das Kapitel 2 beinhaltet das Thema HACCP, also die Grundsätze (7 Prinzipien), die allgemeinen Anleitungen für die Anwendung des HACCP-Systems sowie die Richtlinien für die Anwendung der 12 HACCP-Schritte, die sich in der Vorversion im Anhang befunden haben. Die einzelnen Schritte sind in der aktuellen Fassung umfänglicher formuliert, aber in der Kernaussage großteilig identisch mit der Vorversion:

Schritt 1: HACCP-Team zusammenstellen und den Scope/Umfang identifizieren.

Schritt 2: Produkt beschreiben.

Schritt 3: Identifizierung von Verwendungszweck und Nutzern.

Schritt 4: Flussdiagramm erstellen.

Schritt 5: Vor-Ort-Bestätigung des Flussdiagramms.

Schritt 6 (Prinzip 1):  Auflistung aller potenziellen Gefahren zu jedem Prozessschritt, die wahrscheinlich auftreten können. Anschließend eine Gefahrenanalyse durchführen, um die signifikanten Gefahren zu identifizieren, wenn keine zusätzlichen Kontrollen durchgeführt werden. Dabei sind die vorhandenen Maßnahmen, die PRPs, zu berücksichtigen sowie die Auftretenswahrscheinlichkeit und Schwere der gesundheitlichen Auswirkung der Gefahren. Die Gefahrenanalyse sollte auch die unbeabsichtigte Verwendung der Produkte berücksichtigen.

Schritt 7 (Prinzip 2): kritische Kontrollpunkte bestimmen – entweder mit Hilfe eines flexiblen Entscheidungsbaums oder mittels anderer Ansätze, wie die Beratung durch Experten. In der aktuellen Version ist kein Entscheidungsbaum zur Bestimmung der CCPs (mehr) enthalten, dieser soll aber zu einem späteren Zeitpunkt folgen, da die Codex Alimentarius Commission (CAC) derzeit noch daran arbeitet.

Schritt 8 (Prinzip 3): validierte kritische Grenzwerte für jeden CCP festlegen.

Schritt 9 (Prinzip 4): Überwachung- bzw. Monitoringsystem für jeden CCP einrichten und dokumentieren. Personen, die das Monitoring durchführen, sollten unterwiesen werden.

Schritt 10 (Prinzip 5): Korrekturmaßnahmen festlegen, die ergriffen werden, wenn der/die kritische(n) Grenzwert(e) nicht eingehalten werden. Die Korrekturmaßnahmen sollen auch Regelungen zum Umgang mit potenziell nicht sicheren Produkten umfassen. Außerdem sollte nach Möglichkeit eine Ursachenanalyse erfolgen, um die Fehlerquelle zu ermitteln. Ein regelmäßige Trendauswertung der durchgeführten Korrekturmaßnahmen sollte ebenfalls durchgeführt werden.

Schritt 11 (Prinzip 6): Validierung des HACCP Plans und Verifizierungsverfahren

  1. Validierung: der HACCP Plan muss vor seiner Umsetzung validiert werden, um sicherzustellen, dass seine Elemente (Identifizierung der Gefahren, CCPs, kritische Grenzwerte, Kontrollmaßnahmen, Häufigkeit und Art der Überwachung von CCPs, Korrekturmaßnahmen, Häufigkeit und Art der Überprüfung sowie Art der aufzuzeichnenden Informationen) geeignet sind, zusammen die Kontrolle über die wesentlichen Gefahren zu gewährleisten. Zu diesem Thema gibt es auch ein unterstützendes Dokument des Codex Alimentarius, die Guidelines for the Validation of Food Safety Control Measures (CXG 69-2008), das unter http://www.fao.org/fao-who-codexalimentarius abrufbar ist.
  2. Verifizierung: Verfahren zur Bestätigung, dass das HACCP System effektiv funktioniert, festgelegen. Diese müssen zum einen abdecken, dass das System wie geplant umgesetzt wird und zum anderen, dass das System die Gefahren wirksam kontrolliert. Des Weiteren gehört zur Verifizierung die regelmäßige Prüfung des Systems auf Angemessenheit und Aktualität sowie dessen Anpassung bei Änderungen. Die Verifizierung sollte von einer anderen Person als der, die für die Durchführung der Überwachungs- und Korrekturmaßnahmen verantwortlich ist, durchgeführt werden.

Schritt 12 (Prinzip 7): Dokumentation und Aufzeichnungen erstellen. Die HACCP-Verfahren sowie deren Umsetzung sind effizient, und in der Art und Umfang den Prozessen angemessen, zu dokumentieren. Zu dokumentieren ist z.B. die Zusammensetzung des HACCP-Teams, die Gefahrenanalyse, die CCP Ermittlung, die Festlegung der kritischen Grenzwerte, die Validierung der Kontrollmaßnahmen und Änderungen am HACCP-Plan. Aufzeichnungen sind zu führen für z.B. CCP-Monitoring Aktivitäten, Abweichungen und damit verbundene Korrekturmaßnahmen sowie für durchgeführte Verifizierungstätigkeiten.

Wie auch in der Vorversion folgt den 12 Schritten der Punkt Schulung. Hier wird noch einmal betont, dass Schulung wesentlich ist für die wirksame Umsetzung des HACCP Systems. Es sollten die Aufgaben des Personals zur Überwachung der CCPs definiert werden. Schulungsprogramme sollten so konzipiert sein, dass sie dem Wissens- und Fähigkeitsniveau der zu Schulenden angemessen sind. Auch sind Schulungsprogramme regelmäßig zu überprüfen und zu aktualisieren. Bei Abweichungen bzw. im Rahmen von Korrekturmaßnahmen können auch Nachschulungen erforderlich sein.

Im Anhang des Dokuments finden sich noch verschiedene Unterlagen:

Anlage 1 zeigt eine Vergleichstabelle mit Beispielen zu Kontrollmaßnahmen (GHPs und CCPs) um die Unterscheidung zu verdeutlichen.

Diagramm 1 stellt die logische Abfolge für die Anwendung der 12 HACCP-Schritte dar.

Abbildung 2 und 3 sind Beispiele für ein Arbeitsblatt zur Gefährdungsanalyse sowie ein HACCP-Arbeitsblatt.

Die aktuelle Fassung ist unter dem etwas sperrigen Namen GENERAL PRINCIPLES OF FOOD HYGIENE CXC 1-1969, Adopted in 1969. Amended in 1999. Revised in 1997, 2003, 2020. Editorial corrections in 2011 in englischer Sprache erschienen und unter http://www.fao.org/fao-who-codexalimentarius abrufbar.

+ Fazit: Grundsätzlich enthält die aktuelle Version, neben der Aufnahme von GHPs, nichts völlig Neues. Sowohl aber die GHPs als auch die 12 Schritte zur Erstellung eines HACCP-Systems sind in der neuen Fassung detaillierter formuliert, wobei die Kernaussagen gleichgeblieben sind. Es bleibt, dass das HACCP-System flexibel gestaltet werden muss und immer die Art und den Umfang der Prozesse des jeweiligen Lebensmittelunternehmens berücksichtigen muss. Auch bleibt das übergeordnete Ziel des Dokuments unverändert: die Bereitstellung von Grundsätzen und Leitlinien für die gesamte Lebensmittelkette, um sichere und zum Verzehr geeignete Lebensmittel bereitzustellen.

Anmerkung: Die im Text aufgeführten Übersetzungen wurde von der Autorin vorgenommen, es ist bei Detailfragen aber immer die englische Originalfassung zu Rate zu ziehen.

Quellen und Zitate: Quelle für alle im Text aufgeführten Zitate aus